Strange Collaboration
Immer mal wieder habe ich mich gewundert, warum Michael Jacksons Stimme im Refrain dieses One-Hit-Wonders zu hören ist. Dass es Michael Jackson ist, hatte ich vor vielen Jahren irgendwo einmal gehört. Seitdem bin ich als Klugscheißer unterwegs und frage meine Umgebung, wann immer dieses Song mal im Radio läuft: „Weißt Du eigentlich, wer da im Refrain mitsingt.“ Mit dieser simplen Klugscheißerei muss jetzt Schluss sein. Erst gestern Abend kam mir der Song wieder ins Bewusstsein und ich schwor mir dann im Halbschlaf, das Zustandekommen dieser seltsamen Kollaboration näher zu untersuchen. In Zukunft will ich nämlich noch besser klugscheißen können.
Berry Gordy und Motown
Also. Da gibt es einen gewissen Berry Gordy, der 1959 ein Plattenlabel gründete, welches sich Tamla nannte. Ein Jahr später gründete er ein weiteres Label: Motown. Beide Labels verschmolzen noch im Jahr 1960 zur Motown Record Corporation. Geschäftlich hatte Berry Gordy mit seinem Label unfassbaren Erfolg. KünstlerInnen wie die Supremes, die Commodores, Stevie Wonder und natürlich Marvin Gaye wurden zu Stars der 60er, 70er und 80er Jahre.
Motown und die Jacksons
Und dann gab es da noch The Jackson Brothers, die 1964 gegründet wurden und sich 1966 in The Jackson Five umbenannten, nachdem Marlon und Michael Jackson später eingestiegen waren und die Gruppe zum Quintett gemacht hatten. 1975 verließen die Jackson Five das Motown– Label FAST geschlossen und wechselten zu Epic. Lediglich Jermaine Jackson blieb bei Motown, verließ also damit die Band und wurde durch Randy Jackson ersetzt. Der Labelwechsel erfolgte wohl auch daher, weil Motown viel mit SongschreiberInnen und KomponistInnen arbeitete, die KünstlerInnen dann ihre Stücke einfach zum Spielen und Singen gaben. Die Jackson- Geschwister wollten aber ihre eigene Kreativität ausleben und mehr Kontrolle über ihre Kunst haben. Aufgrund dessen, dass natürlich die Namensrechte von The Jackson Five bei Motown verblieben, musste sich die Band abermals umbenennen und war fortan unter dem Namen The Jacksons bekannt.
Liebesbeziehungen
Man kann nur mutmaßen, weswegen Jermaine Jackson bei Motown blieb. Möglicherweise wollte er Berry Gordy gegenüber einfach nur loyal sein, zumal er auch dessen Tochter Hazel zuvor im Jahre 1973 geheiratet hatte. Berry Gordy wiederum war, was sein eigenes Privatleben gegenüber seinen Partnerinnen angeht, nicht unbedingt das, was man loyal nennt. Er war bisher insgesamt 3 Mal verheiratet und hat sich auch von allen drei Frauen wieder scheiden lassen. Ingesamt hat er, Stand September 2023, 8 Kinder von 6 Frauen. Während seiner zweiten Ehe mit Ray Singleton (zwischenzeitliche Gordy) von 1960 bis 1964 hatte er eine Liebesbeziehung zu Margaret Norton. Mit jener Frau bekam er 1964 einen Sohn mit dem Namen Kennedy William Gordy, der später als Rockwell kurzeitig berühmt werden sollte.
Verwandtschaften
Was bedeutet das alles? Berry Gordys Sohn und Jermaine Jackson waren also verschwägert. Darüber hinaus waren Michael Jackson und Rockwell, laut Wikipedia, Freunde seit ihrer Kindheit. Eine Quelle nennt Wikipedia hierbei nicht. Es könnte aber plausibel sein, weil Michaels älterer Jermaine ja früh in die Gordy– Familie hinein geheiratet hatte, als Michael 15 war. Spätestens seit diesem Zeitpunkt haben sich beide sicherlich gekannt. 1982 schließlich, als Rockwell 18 Jahre war, spielte er seinem Vater den selbst geschriebenen Song „Somebody’s watching me“ vor. Berry Gordys Antwort fiel ernüchternd für den jungen Mann aus: Es klingt ganz ok, er solle jedoch bei seinem normalen Job bleiben und vielleicht würde er es irgendwann mal schaffen.
Michael Jackson ist begeistert
Rockwell, damals noch ohne Künstlername, ging zum Haus der Jacksonfamilie, spielte Michael den Song auf dessen Wunsch zigfach vor. Michael holte unterdessen unentwegt immer mehr Familienmitglieder vor das Abspielgerät und war dann vermutlich ganz schön angetan von dem Song. Irgendwann nahm Michael Rockwell zur Seite und bot sich selbst als Backgroundsänger an. Rockwell nahm natürlich dankend an und fragte zusätzlich noch Jermaine, ob er denn nicht auch Lust hätte, den Background zu singen. Natürlich hatte er Lust. Also ging man ins Studio, nahm den Song auf. Rockwell wollte aber von den Verantwortlichen bei Motown nicht wegen seines berühmten Vornamens bevorteilt werden und gab sich daher einen Künstlernamen. Ohne zu wissen, wen sie da vor sich hatten, gaben die Motown– Manager dem Gordy- Sohn einen Vertrag.
Ende 1983 wurde „Somebody’s watching me“ mit dem Background von Michael und dem unhörbaren Background von Jermaine Jackson veröffentlicht. Wikipedia und einige andere Quellen schreiben zwar, dass das Lied erst 1984 veröffentlicht worden ist; ich vertraue jedoch auf die in diesen Dingen äußerst zuverlässige Quelle discogs.com. Und diese nennt das Jahr 1983 als Erstveröffentlichungsjahr, während das Lied erst 1984 den europäischen Markt erreichte. In die Charts kam es dann in Europa erst im Frühjahr und erklomm sowohl in West- Deutschland, wie auch zuvor in den USA, Platz 2. Ich liebe diesen Song. Immernoch. Damals hat man sich wenigstens getraut, lange Instrumentalpassagen einzubauen. Und man schreckte auch nicht vor Liedlängen von knapp 5 Minuten zurück. Da konnte man sich schön langsam in einen Song hineinhören. Das waren noch Zeiten. Ich wünsche Euch viel Spaß mit dieser Perle der frühen 80er. Hier ist Rockwell mit „Somebody’s watching me„.