Dirty talk in Bolshys Familie
Neulich bei uns zu Hause am Mittagsessenstisch: Irgend jemand sagte was von „dirty talk„. In meinem Hirn machte es klick. Und die Synapsen spuckten diesen halb vergessenen Song aus. Den hatte ich damals Ende der 80er / Anfang der 90er mal auf irgendeiner meiner selbst aufgenommenen Kassetten. Wenn man bedenkt, wie teuer Kassetten damals im Osten waren… Im Internet findet man eine ziemlich gute Übersicht über alle Orwo- Kassetten und den unterschiedlichen Modellen. Zeitweise kosteteten Leerkassetten 30 Mark. Mitte/Ende der 80er Jahre sanken sie dann wegen der Westkassettenkonkurrenz auf dem Ostmark auf 15 Mark.
Keine Orwo- Kassetten bei Bolshy
Das erste jemals von mir auf Kassette aufgenommene Lied war damals ja „Get outta my dreams, get into my car„. Ich hatte darüber bereits einmal geschrieben. Der Track kam Anfang 1988 heraus. Somit war ich damals 11 Jahre alt und bis zum Mauerfall waren es noch gut anderthalb Jahre. Aber, so weit ich weiß, hatte ich nie eine Orwo- Kassette. Ich hatte irgendwie immer West- Kassetten. Ich meine, mich daran erinnern zu können, dass wir Leerkassetten damals teilweise auch von den mosambikanischen Gastarbeitern, die in meinem Dorf arbeiteten, abkauften.
Schneejeans
Neben den Kassetten aus dem Westen verkauften sie auch sogenannte Schneejeans (so nannten wir das damals) unter der Hand. Ich weiß noch, dass mein Onkel da mal eine für 120 Mark Ost kaufte. Für das Geld musste man in der DDR so ca. eine Woche schuften. Wenn ich mir heute vorstelle, ich würde ein ganzes Wochengehalt für eine Hose ausgeben… Meine Frau würde mich rausschmeißen…
Skandal bis heute
So ungefähr 15.000 mosambikanische GastarbeiterInnen gab es damals, laut wikipedia, wohl in der DDR. Und wenn man sich deren Geschichte so anschaut, ist es schon ein ziemlicher Skandal, was damals mit denen abgezogen wurde und bis heute abgezogen wird. Ein Teil ihres Gehaltes bekamen sie direkt in der DDR ausgezahlt. Dafür war unter anderem meine Mutter zuständig, die den, auf Apfelplantagen arbeitenden Mosambikanern, allmonatlich das Geld bar auszahlte. Den anderen Teil des Gehaltes sollten sie dann nach Ende ihres Gastarbeiterdaseins in Mosambik bekommen. 1990 wies die Bundesregierung die Mosambikaner aus. Für das ausstehende Geld sorgte dann die Bundesregierung anscheinend auch noch. Doch versank dieses Geld in dunklen Kanälen und kam nie bei den Arbeitenden an, sodass diese schon seit Jahrzehnten in Mosambik auf die Straße gehen und bis heute um ihr Recht kämpfen.
Sklaven auf Zeit
Als Kind habe ich es zwar nicht mitbekommen, aber eine friedvolles Miteinander mit den ausländischen Arbeitskräften (zum Beispiel in der Disko oder in der Kneipe) gab es wohl nicht wirklich, eher ein spannungsgeladenes. Man blieb damals unter sich. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit meinem Vater oder Onkel mal zu einem Wohnheim für Kubaner gefahren war, um einem Kubaner ein Moped abzukaufen. (Die Kubaner arbeiteten auch irgendwo bei mir in der Nähe. Dort, wo meine Frau herkommt, waren es ungarische Gastarbeiter, die die DDR zur Größe verhelfen sollten.) Aber bis auf ein paar Beziehungen oder sogar Eheschließungen mit Deutschen, waren die ausländischen Arbeiter irgendwie vom Rest der Bevölkerung separiert. Integration kann so natürlich nicht funktionieren. Aber das hatte die DDR auch nie vor. Die Mosambikaner sollten sowieso wieder zurück in ihr Heimatland, sowie auch die Kubaner, die Vietnamesen, die Ungarn, etc.
Mikey Craig hilft
Jetzt habe ich ganz vergessen, über Jermaine Stewart zu schreiben. Irgendwann 1983 oder 1984 ist Jermaine Stewart einem gewissen Mikey Craig aufgefallen, einem Mitglied der Band Culture Club. Dieser ermutigte Stewart ein Demoband aufzunehmen und lud ihn auch ein, auf dem 1984er Song „Miss me blind“ von Culture Club im Background zu singen. Jermaine Stewart war damals schon 26 Jahre alt. Eigentlich uralt, wenn man bedenkt, in welchem Alter man heute so berühmt wird. Mikey Craig sorgte dann jedenfalls für einen Plattenvertrag für Stewart. Und damit startete die leider sehr kurze Karriere von Jermaine Stewart.
Don’t talk dirty to me – Was für ein Kampfspruch!
Mit nicht mal 40 Jahren starb er, AIDS- geschwächt, an Leberkrebs. 17 Jahre nachdem er gestorben war, bekam er 2014 endlich einen Grabstein … von einem Fan gespendet. Oh Mann. Viel Spaß Euch jedenfalls trotzdem mit seinem Song „Don’t talk dirty to me“ – eigentlich ein guter Spruch für alle Unzufriedenen und Hasserfüllten, die ihre Wut heutzutage immer lauter auf ausländische MitbürgerInnen projizieren.
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