So was kann nur Böhmi
So einen Song kann nur Böhmermann machen. Die Komposition und Produktion und auch das weichegezeichnete Video dazu pervertieren in krassester Weise den bedrohlichen Unterton, der einem als fetter brauner Kloß im Halse stecken bleibt. Das Problem der ganzen Sache ist, wie bei nahezu allen Böhmisachen: Er wird damit wieder auf eine ganz andere Art polarisieren und zwar in der Form, dass der Song rein gar nichts verändern wird.
„Genauso isses“
Seine Fans, oder sagen wir mal die Leute, die intellektuell dazu in der Lage sind und dazu eine ähnliche politische Meinung wie er haben, werden das Ganze wahnsinnig großartig finden. Und das zu recht! Böhmi drückt mit seinem Finger scheinbar mühelos und ohne hinzugucken ganz feste dorthin, wo schon ein blauer Fleck ist, also dorthin, wo es am meisten wehtut. Und alle seine JüngerInnen, wozu ich im Grunde genommen auch gehöre, werden perplex sein, mit wieviel Genius jemand die Probleme unserer Zeit künstlerisch musikalisch derart professionell aufarbeiten kann. All diese Leute, also auch ich, werden vor dem Rechner sitzen, Lied und Video gleichermaßen genießen und mit dem Kopf nicken und in sich sekündlich sagen: „Genauso isses!“.
Puzzle
Seine Hater werden ihn sowieso immer hassen. Aber es gibt auch eine 3. Gruppe, bei denen Jan Böhmermann genauso ankommen wird, wie bei seinen Hatern. Ich spreche von Leute, die die vier Puzzlesteine „sanfte Bildsprache des Videos“, „bedrohliche und geschichtsvergessene Lyrics des Songs“, „konterkarierende fröhliche Stimmung der Komposition und Produktion“ und „Metablick auf den derzeitigen gesamten gesellschafts- politischen Zustand“ nicht zusammensetzen können oder wollen. Was ich also sagen möchte: Der Song wird niemanden erreichen, der nicht ohnehin schon von Böhmermanns Kunst begeistert ist. Ich kenne genügend Menschen, die das Puzzle nicht zusammensetzen könnten, weil ihm/ihr ein oder mehrere Teile fehlen.
Demos reichen nicht mehr
Und somit bin ich wieder bei der ersten Gruppe von Menschen. Ich begreife den Song im Prinzip als eine Art Aufforderung. Es ist eine Aufforderung an all jene, die nicht blind sind und das aufkommene Unheil schon sehen können. Es ist eine Aufforderung an diese Leute, sich nicht nur darauf zu konzentrieren, nicht nur 1-2 Mal im Jahr auf eine Demo zu gehen, um ihren Verwandten in der Tageschau um 8 Uhr zu zeigen: „Da hinten stand ich!“ Nein, das reicht (nicht mehr). Das auf Demos mitlaufen ist im Grunde genommen ein zu passiver Akt. „Jemand anderes organisiert eine Demo. Ich laufe mit.“
Stammtisch statt Blase
Leute, ihr müsst mehr tun! Schließt Euch irgendeiner demokratischen Initiative an, die Euer individuelles Bedürfnis oder Euer individuelles Problem oder Eure Sorge passgenau abbildet. Tut etwas vor Ort. Tut etwas, um mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen. Erst neulich sah ich eine Doku auf irgendeinem Dritten Programm. Irgendein Promi (Ich glaube es war Frank Zander.) sagte, dass man sich früher viel häufiger am Stammtisch getroffen hat. Natürlich waren da nicht alle einer Meinung. Und vielleicht wurde es auch mal laut. Im Grund genommen hat man aber dann immer auch von der anderen Meinung profitiert und man hing nicht andauernd in seiner Blase fest.
Arsch hoch!
Vielleicht sollte man das viel häufiger machen. Reden, reden, reden, zuhören, zuhören, zuhören, sich treffen, sich treffen, sich treffen! Weniger Cyberraum, mehr echten wahrhaftigen Menschenkontakt. Von mir aus schließt Euch auch einer Partei an und versucht, auf diese Weise mit Leuten in Kontakt zu kommen. Das ist übrigens gerade mein Thema. Ich wäge schon seit Monaten ab, ob ich das tun sollte. Verschenkte Monate bisher. Denn ich habe im Prinzip rein gar nichts dafür getan, den neuen Faschismus aufzuhalten. Ich gucke meinem Leben in der Gesellschaft nur unbeholfen von außen zu und sehe, wie alles schlechter wird. So kann das nicht bleiben. Macht was und hört zuerst „Faschismus is back“ von Jan Böhmermann“. Viel „Spaß“ dabei!