Hugh Grant und die Leichtigkeit der Schwere
Ich gebe es vor aller Welt zu: Ich mag Hugh Grant- Filme. Und ja, ich denke, wir könnten Freunde sein. Wie komme ich darauf? Auf dem englischen Wikipedia-Eintrag über ihn findet man allerlei interessanteste Persönlichkeitsbeschreibungen. Das, was mir davon am sympathischsten erscheint, ist wohl sein überbordender Eifer. Er arbeitet so hart an Szenen, bis sie eschließlich einfach aussehen. In der Filmszene ist er wohl auch dafür bekannt, dass er oft viele Takes einfordert. Mit seiner Leistung ist er erst zufrieden, wenn alles locker flockig aussieht. Es gibt sicherlich nicht wenige Menschen, die Hugh Grants entweder nicht mögen oder vielleicht sogar hassen. Sie finden das, was er macht, viel zu seicht. Aber offensichtlich ist es genau anders herum. Auch bei Komödien kommt es auf so viele kleine Dinge an (Timing, Gestik, Mimik…), die fundamental darüber entscheiden, ob das passende Gefühl auch wirklich transportiert wird.
Hugh Grant ist Pop
Und genau da ist mein Schnittpunkt mit Mr. Grant. Wie oft habe ich mich, als Popfan, vor allem in meinen Teenagerjahren in der Position befunden, Popmusik gegen Rockmusik zu verteidigen. Ich hatte damals so einige Begegnungen, in welchen milde auf mich und meinen Musikgeschmack heraub geschaut wurde. Da ich aber früher selbst komponiert habe, weiß ich, wie unendlich schwierig es sein kann, einen „Mitsingsong“ zu schreiben, der wahnsinnig ins Ohr geht. Darüber hinaus sind viele der ewigen Popklassiker gar nicht mal so einfach komponiert und produziert. Da fällt mir zum Beispiel „Such a shame“ von Talk Talk und dessen seltsame Akkorde, insbesondere in der Bridge, ein. Abgesehen von der Komposition sind da so viele weitere Dinge, die den Song ausmachen (der Synthesizer im Refrain, der an eine Vogelstimme erinnert zum Beispiel). Um es kurz zu machen: Nicht alle Dinge, die simple erscheinen, sind es auch. Manchmal trifft sogar das Gegenteil zu.
Wenn Männer „too lost“ sind
Und jetzt zur Überleitung: Hugh Grant spielte in meinem Blog schon mal eine Rolle, da er im Film „Music and Lyrics“ als alternder Popstar von „The flock“ (=A flock of seagulls) sprach. Hier geht es heute um seinen wunderbaren Weihnachtsfilm „Tatsächlich Liebe„. Kann sich noch jemand an den kleinen Jungen erinnern, der sich in die US-Ameikanerin Joanna so sehr verliebt hatte, dass er kurzfristig begann, ein Instrument zu lernen, um sie damit zu beindrucken? Sein Schlagzeugspiel startet mit den ersten Beats von „Too lost in you„. Die Szene ändert sich. Plötzlich sind wir bei der großen Betriebsweihnachtsfeier, bei welcher sich eine teuflische Heike Makatsch an ihren Chef heranmacht. Sowohl der Chef als auch der kleine Junge sind in ihrer jeweiligen Situation „too lost“. Daran musste ich mich letzte Woche erinnern, als die Sugababes wie aus dem Nichts und vollkommen unangekündigt eine neue Platte auf den Markt warfen.
Respekt und Run for cover
Als die Sugababes mit ihrem ersten Hit „Overload“ damals, im Herbst 2000, in Heavy rotation auf MTV liefen, fand ich die Sugababes, ehrlich gesagt, ein wenig nervtötend. Bevor das erste Mitglied der dreiköpfigen Band nach dem Erscheinen des ersten Albums ausstieg (und durch eine Andere ersetzt wurde), veröffentlichte man gegen Ende 2000 noch „Run for cover„. Und das ließ mich dann aufhorchen. Dass die Band aus Teenagern bestand, die aber dennoch zumindest an ihren Songs mitschrieben und nicht nur bloße Puppen der Plattenindustrie waren, ließ meinen Respekt wachsen.
Nach der Hochzeit aus den Augen verloren
Vom 2. Album koppelten sie dann den im wahrsten Sinne „starken“ Track „Stronger“ aus. Spätestens da musste jedem klar sein, dass die Sugababes keine Eintagsfliegen oder One-Hit-Wonder waren. Bei der Produktion des Albums half übrigens die „Werkstatt“ von Xenomania, die ein paar Jahre später meine Pet Shop Boys mit ihrem Album „Yes“ ziemlich erfolgreich auf links drehten. 2003 folgte das dritte Album, welches ganz einfach „Three“ hieß und aus welchem im Dezember mein heutiger „Smash rewind“ „Too lost in you“ ausgekoppelt wurde. Dieses Lied gehört zu den wenigen, an welchem die Sugababes überhaupt keine writing- credits haben, da es von der mega erfolgreichen Songschreiberin Dianne Warren komponiert wurde. Sicherlich gibt es viele Leute, denen der Name Dianne Warren nichts sagt. Ihre Schaffenswerk ist jedoch beachtlich. Seit den frühen 80ern hat sie bisher 32 Top Ten Hits und 9 Nummer 1- Hits komponiert (bezogen auf die US Billboard 100). Kurz nach dem Erscheinen des 4. Albums „Taller in more ways“ verließ nun das 2. Gründungsmitglied die Band. Das Management fand wieder postwendend Ersatz. Dieser Umstand führte dazu, dass die Plattenfirma sogar 2 Plattencover mit 2 verschiedenen Lineups herausbrachte. Jenes Album erhielt noch den Hit „Push the Button„. Danach verlor ich die Sugababes aus den Augen.
Neustart zu Weihnachten – Erinnerungen an „Too lost in you“
Nach „Taller in more ways“ erschienen noch 3 weitere Alben und schließlich stieg dann auch das 3. Gründungsmitglied aus. Während nun also 3 vollkommen andere Frauen den Namen Sugababes fortführten, fanden sich plötzlich die 3 ursprünglichen Frauen wieder zusammen. Sie fingen an, unter ihren 3 Vornamen (Mutya, Keisha, Siobhan) an Songs zu arbeiten. Indirekt gab es also zur gleichen Zeit 2 Mal die Sugababes. Seit 2019 arbeiten die ursprünglichen Mitglieder wieder unter dem Namen Sugababes zusammen. Am 24. Dezember letzten Jahres brachten sie schließlich das Album „The lost tapes“ heraus, welches sie zwischen 2011 und 2014 aufgenommen hatten und nun ganz ohne Plattenlabel selbst veröffentlichten. Der davon ausgekoppelte Song „Today“ klingt ganz ok. Aber er war immerhin gut genug, um mich an „Too lost in you“ und „Tatsächlich Liebe“ zu erinnern. Insofern wünsche ich viel Spaß bei „Too lost in you„, dem einzigen Song, der in die Szene dort hineinpasst.
PS: Hugh Grants Tanz in „Tatsächlich Liebe“ wird an anderer Stelle besprochen werden.