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Kim Wilde: Love Blonde The RAK Years 1981-1983

Kim Wilde: Love Blonde: The RAK Years 1981 – 1983

Die 2 Leben der Kim Wilde

Voll auf die Zwölf

Als am 4.Juli 1988 „You came“ herauskam, war ich kurz zuvor 11 Jahre alt geworden und schon begeisterter Pop- Musikfan. „You came“ war für mich damals eine unglaublich geile Nummer. Da war dieser Synthieschlagzeugbeat, die schreiend lauten Synthieflächen und die unglaublich vielen übereinander gelegten Gesangsspuren im Refrain, die diesem Song extrem viel Power gaben. Erst letztes oder vorletztes Jahr habe ich mir mal die Arbeit gemacht, die Akkorde herauszuhören und die Lyrics aus dem Internet auszudrucken, um es selbst am Klavier spielen und singen können. So ein schönes Lied! Und dann kam am 19. September 1988 auch noch „Never trust a stranger“ heraus – wieder so ein Ding, was bei mir, im positiven Sinne, voll auf die Zwölf ging. „Four letter word“ folgte dann am 21. November 1988 und untermauerte für mich nur, wie toll ich diese „neue“ Sängerin fand.

Wovon redet der Mann?

Neue Sängerin? Mit meinem Queen– Fan- Nachbarn tauschte ich mich damals, und das klang in diesem Blog hier ein paar mal an, immer wieder über Musik aus. Wann immer ich ihm von Kim Wilde und den o.g. Songs vorschwärmte, faselte er irgendwas davon, dass man Kim Wilde wegen „Cambodia“ oder „Kids in America“ kennen müsste. Das wären doch tolle Songs gewesen. Vermutlich hatte ich beide Songs unbewusst immer mal wieder im Radio gehört, aber nie näher darüber nachgedacht. Jahre später habe ich mich dann ein klein wenig mehr mit Kim Wilde befasst und diese beiden Songs aufmerksamer gehört. Und das hatte für mich rein gar nichts mit „meiner“ Kim Wilde zu tun.

Teilzeitkulturbanause

Vermutlich ist das auch der Grund, weswegen jetzt Kim Wildes erste 3 Alben neu verffentlicht werden. Sie stellen nämlich für mich Teilzeitkulturbanausen ein und für alle mal klar, dass Kim Wilde ein Leben vor ihrem Synthiepopsternchendasein hatte. Zu Beginn ihrer Karriere war sie beim Label RAK und führte dort ihr erstes von 2 Musikerleben. So kommt es mir jedenfalls vor.

Kim Wilde: Kim Wilde

Die Karriere startete sozusagen am 29. Juni 1981 als ihr erstes, selbstbetiteltes Album erschien. Das Ganze klingt gleich zu Beginn beim Albumopener „Water on Glass“ wie ganz klassischer, teilweise von Punk beeinflusster, New Wave der ganz frühen 80er Jahre. Wäre die Stimme von Kim Wilde nicht, klingt „Water on Glass“ wie eine Fusion der frühen Duran Duran und Ultravox. Allerdings klingt Kim Wildes Debüt eigentlich rockiger als die zuvor genannten Bands. Die Drums sind laut abgemischt, treiben die meisten Up-Tempo- Songs des Albums ganz schön vor sich her. Im Refrain werden dann mehrere Gesangsspuren übereinandergelegt, um den Lyrics richtig Power zu geben.

Das beste Blondie- Album

David Hepworth, ein Journalist der mittlerweile eingestellten Zeitschrift „Smash Hits“, nannte das Album seinerzeit das beste Blondie- Album seit Jahren. Stimmt, Debbie Harry hört man da auch ein wenig durch. Der ungewöhnlichste Track des Albums ist sicherlich „2-6-5-8-0“ mit seinem Raggaerhythmus und seinem Bläsersatz. Neben „Chequered Love„, einer Single des Albums, an welcher man sich nicht satt hören kann, gefällt mir der vorletzte Track des Albums „Falling out“ ziemlich gut. Ein toller up- Tempo- Song mit einem knackigen kurzen Refrain, der ehrlicherweise danach schreit, mal als Synthiepopcover wieder geboren zu werden.

Sehr, sehr tanzbar

Nicht mal 11 Monate nach dem selbstbetitelten Debutalbum erschien das zweite Album von Kim Wilde mit dem Titel „Select„. Im Opener „Ego“ rast ein Bass- Sequenzer mit Sechzehntel durch den Song. Die Synthieflächen schreien immer noch laut hinter Kim Wildes unverkennbarer jugendhafter Stimme. Seltsame Soundsamples deuten an, dass das Album eine andere Richtung nehmen könnte, als dessen Vorgänger. Bei „Action City„, dem dritten Song des Albums, wird die Hinwendung zu einer poppigeren Kim Wilde hörbar. Laut herausgemischte Synthiesoli wechseln sich mit Bläsersätzen ab und die Drums treten etwas braver als beim Debütalbum in den Hintergrund. Und auch bei „View from a Bridge“ ist wieder der für die frühen 80er typische Basssequenzer zu hören, der auch in der NDW häufig zu hören war. Sehr, sehr tanzbar das Ganze!

Chaos at the airport: Der Song zum Streik

Just a feeling“ ist vermutlich mein Lieblingslied des ganzen Albums. Captain Future meets Xanadu– Synths und Hihat- Triolen können daran nichts ändern. Aber die Komposition und insbesondere die Gesangsmelodie im Refrain ist einfach göttlich. „Chaos at the airport“ eröffnet die B- Seite des Albums und zeigt erneut den Genius der Familie Wilde; schließlich werden die Kim Wilde– Songs ausschließlich von Papa Marty und Bruder Ricky geschrieben. Der Song könnte aufgrund seiner kompositorischen Volten fast als Musical- Song durchgehen. Am Ende ist natürlich noch „Cambodia“ zu nennen, der wohl einer der Signature- Songs von Kim Wilde seien dürfte.

wegweisende Drums – damals

Hört man alle drei Alben hintereinander bemerkt man ziemlich deutlich die Transition von Punk in Richtung Pop, wobei natürlich keine scharfe Grenze dabei zu überwinden ist. Das dritte Album in der Reihe heißt übrigens „Catch as catch can„. Die Stimme ist die gleiche, die Synths wirbeln noch mehr durcheinander als zuvor. Das echte Schlagzeug musste allerdings weichen. Die eingesetzten Synthdrums klangen für damalige Verhältnisse vermutlich wahnsinnig wegweisend und originell. Und auch ich mochte diese früher sehr. Und da ich ein Popper bin und schon immer war, kann ich auch gut mit diesen frühen synthetischen Drums, die nahezu keinen Basssound hatten, umgehen.

Nicht Bruce Springsteen

Aber…! Wenn man sieht, wo Kim Wilde herkam: ein bisschen Punk, ein bisschen New Wave und wilde, gut rausgemischte Drums…!!! So gesehen ist ihr letztes Album „Catch as catch can“ im Vergleich ihr schwächstes RAK– Album, klanglich gesehen. Die Kompositionen haben, meiner Ansicht nach, nichts an Originalität eingebüßt. Familie Wilde hat es halt drauf. Ausgerechnet das nicht von einem der Wildes komponierte „Dancing in the dark“ hat es mir am meisten angetan. Hierfür zeichnen Nicky Chinn (The Sweet– Komponist) und Paul Gurwitz verantwortlich. Hat allerdings nichts mehr mit der Kim Wilde von „Kids in America“ zu tun. Das klingt schon mehr nach „Never trust a stranger„.

wenigstens nicht unkenntlich

Die vierte Scheibe, die dieser Kompilation beiliegt, enthält ein paar frische Mixe von Lieder aus Kim Wildes RAK– Zeit. Ich bin persönlich kein Freund davon, 30 bis 40 Jahre alte Lieder mit einem technoiden Rhythmus zu unterlegen. Ich weiß: Vielen Leuten gefällt das. Und als Kim Wilde– Fan ganz früher Stunde, zu denen ich ja nicht zähle, mag solch ein neuer Mix ein Jungbrunnen sein. Ich mag das übrigens auch nicht bei meinen Pet Shop Boys. Auch die Pet Shop Boys peppen gelegentlich Song bei Konzerten neu auf und tauschen einfach die Rhythmusspur gegen was Zeitgenössisches aus. Ich brauche das nicht unbedingt. Immerhin: Die Kim Wilde– Remixe sind nicht ins Unkenntliche zu Tode gemixt worden. Man erkennt eindeutig noch die Melodie und die Struktur des zugrunde liegenden Originals.

Just a feeling

Im Zuge dieses Artikels habe ich mich erstmals sehr viel tiefer mit Kim Wilde auseinandergesetzt und bin ganz schön positiv überrascht. Ich kannte bis vor kurzem nur die poppige Version aus den späten 80ern. Und auch wenn die ganz frühe Kim Wilde eine komplett andere Künstlerin zu sein scheint, gefällt mir auch ihr frühes Material sehr gut. Rückblickend muss ich konstatieren, dass ich ihr zweites Album „Select“ am meisten mag. Es hat nicht mehr ganz so viel scharfe Ecken wie das Erstlingswerk und klingt trotzdem noch keck und peppig. „Catch as catch can“ hat im Vergleich zu den Vorgängeralbem zu viel Weichspüler und rosa Farbe abbekommen. Nichtsdestotrotz für mich der beste Album- Release des Monats März 2024. Schwer, einen Anspieltipp herauszufiltern. Versucht es mal mit „Just a feeling„. Viel Spaß nun mit Kim Wilde.

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